Murow - Hermannsthal - Kopietz
(Polen)
eine private Internetseite - Stand Januar 2006
erstellt von Astrid Dolejsch
Ein Zweig meiner Vorfahren waren Glasmacher. Sie arbeiteten bereits kurz nach der Gründung der Glashütte (1755) in Murow.
Damals gab es das Dorf Murow praktisch nicht mehr, nur eine Brücke über den Budkowitzer Bach, in dessen Nähe die Mönche vom nahen Kloster Czarnowanz 1755 eine Glashütte gründeten. Wo genau diese Czarnowanzer Glashütte lag, können wir nicht sagen, in den Brinnitzer Kirchbüchern taucht um diese Zeit die Ortsbezeichnung "Dymatz" auf. Sie wird von "Glashütte" abgelöst und noch Mitte des 19. Jahrhunderts findet man Murow und Glashütte als getrennte Ortsbezeichnungen in den Büchern. Ab 1870 wurde Glashütte zu Murow "eingemeindet".
Der Ort Murow liegt im Kreis Oppeln in Oberschlesien (Opole) südöstlich von Breslau (Wroclaw). Murow ist heute der "Hauptort" einer "Verbandsgemeinde" in Polen. Über Murow kann man sich auch im Internet informieren.
Wer den Link zum Internetauftritt der Gemeinde Murow sucht, klickt auf das kleine Bild!
Es zeigt die Kirche vom benachbarten Friedrichsthal.
Murow bekam erst im 20.Jhd. eine eigene katholische Kirche. Seit 1919/20 gehörte es zur kath.Kirche von Friedrichsthal. Davor zum Kirchspiel Brinnitz.
Über Murow gibt es Literatur. Die Texte der folgenden "Chronik in Tabellenform"
sind dem Buch von Otto Spisla "Erinnerungen werden wach" - Ein Wiedersehen mit Brinnitz (Brünne), Murow (Hermannsthal), Bad Carlsruhe, Dammratsch (Dammfelde) und Falkowitz (Falkendorf)" von 1994 entnommen.
Besonders hervorgehoben wurden die Nennung der eigenen Ahnen und die Photos stammen aus dem Familienbesitz.
Jahreszahl | Ereignis / Beschreibung |
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1304 / 1392 | die frühesten nachweisbaren Erwähnungen des Ortes, nach Urkunden aus dem Kloster Czarnowanz, Kiefernwälder, sandige Hügel und sumpfige Wiesen waren charakteristisch Der Volksmund erzählt vom Jagdschloss, das der Herzog von Oppeln "Kopietz" nannte. Später schenkte ein Nachfolger des Herzogs die Waldgebiete nördlich seiner Residenzstadt Oppeln dem Czarnowanzer Kloster. |
14. Jahrh. | slawische Siedlung; Der Name "Murow" stammt angeblich von der damals herrschenden Pest genannt "Mur", der man im slawischen Sprachgebrauch ein "ow" angehängt hat, was soviel bedeutet wie "Pestort". Später sind die meisten Siedlerfamilien ausgestorben |
um das Jahr 1400 | Fast alle haben schon diese traurige Gegend verlassen. Nur wenige Hütten an der Murower Brücke, die über den Budkowitzer Flößbach führt, sind noch bewohnt. |
um das Jahr 1600 | Nach etwa 200 Jahren erwachte in Murow neues Leben. Köhler hatten sich angesiedelt. In der waldreichen Gegend hatten sie einen neuen Arbeitsplatz gefunden. Die Holzkohle lieferten sie an die Handwerker in den Städten. Ihre Hütten hatten sie etwa 500 m südöstlich von der alten Siedlung erbaut. |
um 1755 | um 1755, entdeckten die Mönche vom nahen Kloster Czarnowanz bei Oppeln unter der Führung ihres Abtes in den Hochwäldern um Murow schönen weißen und gelblichen Quarzsand und gründen eine Glashütte.
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um 1755 | Aus den Dörfern der weiteren Umgebung ziehen nun Familien nach Murow und gründen die Kolonie Hermannsthal. Neue Namen wie Gandyra, Knossalla, Blacha, Gora, Psykalla, Freitag,
Kiwus und Schneidmüller sind dazugekommen. Die Männer finden als Waldarbeiter und Flößer neben ihrer Landarbeit Arbeit und Brot. |
1789 | auf Anordnung des Prälaten von Czarnowanz wird die Colonie Hermannsthal erbaut |
Felix Triest
Topographischen Handbuch von 1865 |
Murow 3 3/4 Meilen von Oppeln und 1/2 Meile von der Creuzburgerhütte an dem Budkowitzer Flößbach entfernt mit der 1789 auf Anordnung des Prälaten zur Czarnowanz erbauten Colonie Hermannsthal, ist von königlichen Forsten umgeben. Dazu gehört die sogenannte Czarnowanzer Glashütte an der Chaussee von Kupp nach Creuzburgerhütte. Die Gemeinde bilden 11 Gärtner, 5 Ackerhäusler, 25 Angerhäusler und 40 Einlieger. Der Viehbestand beträgt 14 Pferde, 6 Ochsen, 82 Kühe, 15 Stück Jungvieh und 12 Schweine. |
19. Jahrh.?? | Da spielt Ebstein, Besitzer der Glasfabrik im 19.Jahrh. seinen letzten Trumpf aus: "Meine Herren, ich mache Ihnen einen Vorschlag: Wenn sie die Eisenbahnlinie durch Murow legen lassen, stelle ich Ihnen das Gelände für die Errichtung des Bahnhofsgebäudes und der Eisenbahnstrecke durch Murow kostenlos zur Verfügung". Das wirkte. Der günstigste Platz für den Bahnhof wurde gewählt, die Dorfstraße verlegt und begradigt und mit dem Bau sofort begonnen.
Der Umsatz der Fabrik stieg ganz erheblich. Das Murower Glas wurde bis in die Türkei verschickt. Durch diese Umsatzsteigerung wurde eine Erweiterung der Fabrik notwendig. Neue Arbeiterhäuser mussten gebaut werden. |
?? | Aus Böhmen kamen die Bläser Kaffka und Bias, aus Thüringen die Glasmacher Aschenbrenner, Greiner, Schwarzer, Vogtmann, Seemann, Sandmann, Fischer, Bergmann, Menzel und Vierheller. |
Im Jahr 1845 ... | ... lebten in Murow 397 Einwohner. |
1871 .. | ....waren es schon 590, |
bis 1890 ... | .... steigerte sich die Zahl auf 754, |
bis 1910 .. | .... stieg die Zahl auf 1.046 und ... |
... 1933 ... | ....konnte Hermannsthal 1.102 Seelen verzeichnen. |
allgem. | Der Murower Bahnhof war räumlich und umsatzmäßig der bedeutendste der Strecke Oppeln-Namslau und auch mit Personal gut besetzt. Auch ein kleines Postamt und Wartesäle 1., 2. und 3. Klasse waren in dem langen Gebäude untergebracht. Aus dem nahe liegenden oberschlesischen Kohlenrevier bekam allein die Glashütte täglich 2 bis 3 Waggons Stück- und Nußkohle für ihre riesigen Öfen, auch Wannen genannt. Die Waggons wurden auf dem eigens für die Hütte gebauten Anschlußgleis per Pferdegespann in den etwa 500 m entfernten Fabrikhof gezogen und zwar bis zu der Stelle, wo sie entladen werden konnten. Schon der Anblick der Prachtpferde, die einen an Brauereipferde erinnerten, war für Jung und Alt ein Erlebnis. Heute besorgt den Transport auf dem Anschlußgleis eine Kleinlok. |
1914-1918 | Als der Krieg im Jahre 1914 ausbrach, wurden alle wehrfähigen Männer des Dorfes eingezogen. Und zu Hause fürchteten sich die Frauen und Kinder sehr, als ihrer Heimat das gleiche Schicksal wie Ostpreußen drohte, denn die Russen standen kurz vor der oberschlesischen Grenze. Nach dem Krieg kamen die Männer wieder an ihre alten Arbeitsplätze zurück. 42 tapfere Söhne des Dorfes Murow kehrten aber nicht mehr zurück. Darunter auch der Direktor der Glasfabrik Dr. Kurt Höschele.
Zu diesem Kapitel können wir ein Stück aus der Familienchronik beitragen. Diese Feldpostkarte aus dem Jahr 1918 zeigt meinen Urgroßvater August Kawka als Soldat. |
Nach dem Ersten Weltkrieg ... | ... erheben sich die Polen unter Korfantys Führung. Die wehrlose deutsche Bevölkerung ist dem polnischen Terror ausgesetzt. Die dunkelsten Elemente werden zu Rädelsführern. In dieser Not bildet sich der Selbstschutz und stellt sich den polnischen Aufständischen entgegen. Bewaffnete polnische Insurgenten kommen auch nach Murow. Nur dem energischen Auftreten der Gemeindeältesten ist es zu verdanken, daß es die Polen nicht zu toll treiben. Doch die Polen geben auch weiter keine Ruhe. Sie werden immer Herausfordernder. Der Selbstschutz greift ein und stellt die Ruhe wieder her. Ausländische Truppen erscheinen in Murow und bald sieht man überall große Bekanntmachungen mit folgendem Text hängen: "Aufruf an die Bevölkerung Oberschlesiens Die interalliierte Kommission des Völkerbundes bestimmt im Interesse der Ordnung und des Friedens in der Provinz Oberschlesien, dass alle Waffen an die zuständigen Kommandos der Besatzungstruppen abgeliefert werden. Wer gegen diese Verordnung verstößt, wird vor einem Standgericht abgeurteilt".
Auch zu diesem Kapitel können wir ein Stück aus der Familienchronik beitragen. Dieses Photo datieren wir auf ca.1920 und es zeigt die Familie meines Urgroßvaters August Kawka bei der Feldarbeit. Außerdem erkennt man einen Soldaten (Franzosen?), der auf dem Wagen liegt. Auf der Rückseite kann man Fragmente einer Postkarte entziffern. |
1921 | Französische Truppen sind im Dorf einquartiert und begünstigen die immer dreister werdenden Polen. Doch die deutsche Jugend nimmt das nicht hin und singt polnische Spottlieder. Als dann der Abstimmungstag kam, sah man viele ehemalige Murower Bürger aus dem Reiche in ihre alte Heimat kommen, um für Deutschland zu stimmen.
... "686 Stimmen für Deutschland, 89 Stimmen für Polen!" ... ... Ganz ergriffen standen die Menschen da. Einer stimmte das Deutschlandlied an und alle sangen freudig mit. |
1925 | Nach dem Ersten Weltkrieg hat Murow einen ungeheuren Aufschwung zu verzeichnen. Zwei zusätzliche Sägewerke werden gebaut, so dass der Ort jetzt über vier Sägewerke verfügt. Ferner wird noch ein Holzverkohlungswerk errichtet, in dem aus Holz, Holzkohle, Holzteer, Holzessig und Terpentin gewonnen wird. Um 1925 zählt Murow etwa 1.120 Einwohner. Die Glasfabrik beschäftigt 180 Arbeiter und in den vier Sägewerken arbeiten 140 Männer. Die Arbeit im Holzverkohlungswerk wird von 15 Arbeitern ausgeführt.
... Über 500 Menschen fanden also in Murow Arbeit und Brot. Da der Ort bei weitem nicht so viele Arbeiter stellen konnte, kamen jeden Tag weitere Arbeiter aus den umliegenden Ortschaften nach Murow geströmt. Und so wurde Murow Mittelpunkt der Umgebung von 10 bis 15 Kilometern. |
1930 ... | ... gab es mehrere Monate anhaltenden Stillstand, denn die manuelle Herstellung sollte durch moderne Maschinen ersetzt werden. Nun wurde maschinen gezogenes Fensterglas in verschiedenen Stärken hergestellt. Diese notwendige Umstellung war der Verdienst des damaligen kaufmännischen Direktors Otto Fey, der sich vom kaufmännischen Lehrling über die Prokura bis zum Direktor emporgearbeitet hatte. Ihm zur Seite stand der damalige technische Direktor Dipl.-Ing. Zimpelmann, der aus Nordbayern stammte, wo ebenfalls eine bedeutende Glasindustrie beheimatet ist.
... Unter den Glasmachern und Helfern im Dorf gab es Familien, die schon in drei bis vier Generationen in der Hütte beschäftigt waren. In den Jahren 1931 bis 1945 beschäftigte die Glashütte etwa 250 bis 300 Arbeiter und Angestellte bei einer Kapazität bis zu 30 Tonnen Glas pro Monat. |
vor dem WK II | Hier, wie auch in anderen Dörfern Oberschlesiens, gab es bis kurz vor dem Zweiten Weltkrieg noch Konfessionsschulen (evangelische und römischkatholische Volksschulen). In Murow war eine vierklassige katholische Volksschule mit 140 Kindern und eine kleine einklassige evangelische Volksschule mit rund 30 bis 35 Schülern. Die Kinder wurden von einem Lehrer in drei Stufen, der Unterstufe, der Mittelstufe und der Oberstufe, unterrichtet. Der Unterricht in dieser Volksschule spielte sich zum Beispiel so ab: wenn sich der Lehrer mit der Unterstufe beschäftigte, schrieb die Mittelstufe einen Aufsatz und die Oberstufe erledigte Rechenaufgaben. |
bis 1945 | Als Gemeindeoberhaupt amtierte bis zum Einmarsch der russischen Truppen (Januar 1945) Bürgermeister Johann Greiner, ein gelernter Glasmacher.
... Jetzt hat das inzwischen sehr gewachsene Industriedorf auch eine Apotheke und eine im Bau befindliche große Kirche. Bis 1945 mussten die Gläubigen beider Konfessionen noch die Kirchen im Nachbarort Friedrichsthal aufsuchen. ... Selbstverständlich besaß das Dorf auch eine stramme und disziplinierte Feuerwehr auf freiwilliger Basis und den Kriegerverein, der sich zum größten Teil aus Veteranen des Ersten Weltkrieges zusammensetzte. Forstmeister Rocholl, ein ehemaliger Frontoffizier, hatte die Leitung und sorgte dafür, daß beim Ausmarsch zum Sommerfest nach Kopietz (Festwiese im Wald) stets die Carlsruher Blaskapelle voranschritt. Ihr folgte dann, hoch zu Roß, ein Reiterzug in historischer Uniform. Allgemein kann man sagen, dass es sich bei den Leuten in Murow um fleißige, höfliche, zuvorkommende und qualifizierte Arbeiter und Angestellte handelte, die sich hier wohl fühlten und über Generationen hinaus ansässig blieben. |
1936 | Als dann aus Murow "Hermannsthal" wurde, das war im Sommer 1936, hielt auf dem neu gestalteten Dorfplatz (Dorfanger) die Festansprache der damalige Rektor der katholischen Volksschule. Seine kraftvolle Rede endete mit den Worten: "Hermannsthal ist eine Welt für sich, ein Kleinod unseres Vaterlandes soll es werden". |
Nach dem 2. Weltkrieg | ... wurde Murow polnisch und die Deutschen durften nur bleiben, wenn sie für die polnische Staatsbürgerschaft votierten.
Es kamen schwere Zeiten. Viele wählten jetzt und in späteren Jahren die Flucht oder Ausreise in den Westen. |
Ende 1996 | Die Glashütte stellt die Produktion ein. |
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